Kurzmeldung

17.Juni 2019
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Dienstag, 6. Februar 2018

Michael Schenk: 38 x quer durch Europa bis zum Tag X ...

... meine persönliche Radquerfeldein-Weltmeisterschaftsgeschichte

Von Prag (1972, damals CSSR) bis Valkenburg (2018, Holland) dauerte meine "Irrfahrt" :-) im wahrsten Sinne q(Q)uer durch Europa um diesen Tag miterleben zu dürfen. Am Tag X, dem 3.2.2018, beendete Nadja Heigl mit dem Gewinn der Bronzemedaille im U 23 Rennen der Frauen die 69-jährige Medaillenlosigkeit Österreichs im Radquerfeldein. Damit verschaffte sie Österreich als 14. Nation den Eintrag in die Medaillenbilanz der seit 1950 ausgetragenen Weltmeisterschaften im Radquerfeldein. Ich bleibe beim Ausdruck Querfeldein, später Radcross, heutzutage Neudeutsch Cyclocross oder ganz schrecklich CX genannt. 1950 bei der Premiere siegte der Franzose Jean Robic, übrigens der einzige Querfeldein-Weltmeister, der auch die Tour de France gewann (1947). Auch ein (späterer) Olympiasieger im Straßenrennen wurde schon einmal Weltmeister: 1988 siegte der Schweizer Pascal Richard in einer legendären Schlammschlacht in Hägendorf (Schweiz), 1996 holte sich Richard dann den Olympiasieg in Atlanta. Meine persönliche Weltmeisterschaftsgeschichte begann 1972 bei den Titelkämpfen in Prag. Mein Vater Hannes nahm mich damals im zarten Alter von 5 1/2 Jahren schon mit. Dass danach noch 37 weitere Reisen folgen würden, ahnte ich damals noch nicht. Es war auch nicht leicht, denn die Weltmeisterschaften wurden damals immer eine Woche vor den Energieferien, wie es seinerzeit hieß, ausgetragen. Mit geheimen Absprachen mit den Klassenvorständen wurde ich stehts "krank" zu dieser Zeit. Da die Weltmeisterschaften meist in kleineren, abseits gelegenen Orten ausgetragen wurden, waren die Anreisen in den ersten Jahren ziemlich mühsam. Besonders die Reise 1974 nach Vera de Bidasoa ins spanische Baskenland blieb mir da als großes Abenteuer in Erinnerung. Via Barcelona gings dann mit einer kleinen Propellermaschine nach San Sebastian. Auf Grund eines Inserats im "Züricher Sport" entstand dann ab 1978 die Verbindung zu Schweizer Fans aus Hombrechtikon in der Nähe des Zürichsees gelegen, welche mit dem Bus anreisten und denen wir uns fortan anschlossen. Dadurch entstanden im Laufe der Jahre zahlreiche Freundschaften und unzählige Male wurden wir Exoten aus Österreich ungläubig bestaunt, waren doch meist gar keine Österreicher am Start. Oft mussten wir uns von unseren Schweizer Freunden "heckerln" lassen, wann es denn endlich eine Medaille für Österreich geben würde. In den 70er und 80er Jahren waren die Schweizer eine der dominierenden Nationen, unvergesslich der legendäre 4malige Weltmeister und König des Morasts, Albert Zweifel. Dazu eine kleine Geschichte abseits der WM: Die "Hombrechtiker" luden mich dann auch als Fahrer zu dem von ihnen organisierten Radquer, wie die Schweizer zu sagen pflegen, ein. Kann mich nur zu gut erinnern, als es in der Nacht vor dem Rennen unaufhörlich schüttete. Mit einigem Bauchweh bereitete ich mich auf meinen Start in der Kategorie B vor, die Schweizer meinten aber nur unbeeindruckt: "Isch halt a richtigesch Zwiiiifel-Wetter"! Im Züricher Sport war dann tags darauf ein Foto des Siegers Albert Zweifel, der nicht als solcher zu erkennen war, mit dem Titel: "Das ist keine Skulptur, das ist der leibhaftige Albert Zweifel nach dem Radquer in Hombrechtikon". Ich war damals mit dem unvergleichlichen Erich "Jagl" Jagsch mit seinem VW-Käfer angereist und wir gingen beide im wahrsten Sinne des Wortes im Morast von Hombrechtikon unter ... Auch die Rückreise blieb mir in guter Erinnerung, den in Vorarlberg hatte es über Nacht geschneit und "Jagl" wollte, obwohl am Käfer nur Sommerreifen waren, über den Arlbergpass fahren, um die Maut zu sparen. Die Hinweisschilder ignorierend, an hektisch winkenden Straßenarbeitern vorbei, kamen wir allerdings nicht allzuweit ... 

Doch zurück zu meiner persönlichen Radquer-WM Geschichte: Quasi quer durchs Alphabet von A wie Amorebieta (1978 im spanischen Baskenland) bis Z wie Zolder (2002 / Belgien) und kreuz und quer durch Europa gings zu den Austragungsorten. Zusammen mit meinem Vater, meist auch mit "Oma Schenk" und ab und zu mit Freund Harald ging es dann Jahr für Jahr zur WM. Omas letzte WM war Gieten 1991, wo sie im Alter von 86 Jahren ein letztes Mal die weite Anreise mit dem Bus auf sich nahm. Noch dazu hatte es in Gieten dann zweistellige Minusgrade und Festzelte gabs damals noch nicht... Am weitesten war neben den Baskenland (1974 Vera de Bidasoa, 1978 Amorebieta, 1981 Tolosa, 1990 Getxo) die Anreise nach Birmingham (GB) 1983, wo sich meine Oma mit der damaligen Präsidentin des britischen Radsportverbands, einer ebenfalls älteren Dame, verbrüderte! Zur damaligen Zeit waren die Reisen ins Baskenland auch einiges an Nervenkitzel, war doch die ETA, die separatische baskisch-nationalistische Untergrundorganisation, damals noch sehr aktiv und verübte zahlreiche Anschläge in dieser Region. Unvergesslich weiters 1981, als wir eine Woche vor der Reise nach Tolosa die Ferhsehbilder vom Putsch im spanischen Parlament sahen und wir einigermaßen beunruhigt die Reise antraten. Auch die endlose Fahrt nach Monopoli, Apulien, Süditalien, 2003 bleibt in lebhafter Erinnerung. Da freuten wir uns einmal eine WM bei warmen Temperaturen miterleben zu können, aber schmecks, es war saukalt und es blies ein unangenehmer Wind. Dabei hatten wir noch Glück, denn quasi nebenan, auf Sizilien, sahen wir abends Fernsehbilder, wo die Menschen mit dem ungewohnten Schnee kämpften... Tatsächlich richtig warm war es aber 1990 in Getxo bei Bilbao, wo man es kurzärmelig aushielt. 

Sportlich unvergesslich vor allem die Schlammschlachten 1979 im italienischen Saccolongo, wo es einfach nur kreuz und quer über unter Wasser stehende, abgeerntete Maisfelder ging. Damals erlebten wir auch ein Hochwasser in Venedig hautnah mit, welches in der Nacht auf Sonntag kam und wir auf dem Weg vom Hotel zur Schiffstation in kniehohen, kaltem Wasser wateten. Episch muss man schon sagen waren auch die Titelkämpfe im tiefen Morast in Leembek (Belgien / 1986) und Hägendorf (Schweiz / 1988).

Leider verstarb mein Vater allzufrüh 2008, wodurch ich die letzten Jahre keine Lust mehr hatte, die weiten Anreisen auf mich zu nehmen. Durch meinen Umzug nach Deutschland lagen aber die letzten beiden Austragungsorte quasi vor der Haustür. Ich denke, nach dieser meiner unendlichen WM-Geschichte, ist es allzu verständlich, wie sehr ich mich über den Erfolg für Österreich durch Nadja Heigl freue und hoffe, dass dies dem österreichischen Radquerfeldeinsport weiter Aufwind verleiht.

Herzlichen Glückwunsch an die Familie Heigl, die sich diese Medaille durch Konsequenz und lange Anreisen zu den Auslandsstarts hart erabeitete!

Michael Schenk, 6.2.2018 

Historische WM Fotos

Foto (c) W.Ameshofer